Vier „stormy sixties“ namens Erwin, Günter (Skipper und Ausbilder), Helmut und Werner und eine „roaring forty“ namens Sandra machen sich auf den Weg nach Southampton, um im Solent zu segeln. Ob die Begriffe auf das Kommende hindeuten? Wir werden es sehen.
Unser Flieger bringt uns von München nach London Gatwick, mit dem Zug geht es anschließend nach Port Hamble. In der Marina angekommen leuchtet der erste Regenbogen am Himmel. Es wird nicht der letzte Regenbogen dieser Woche bleiben.
Schließlich können wir unser Schiff übernehmen: Die „Sea Fever“, eine Bavaria 36 Baujahr 2004. Das Checken der Yacht dauert eine Weile an, zumal manches nicht zu finden ist und erst noch organisiert werden muss.
Mit der Flut und im Mondschein laufen wir aus und setzen nach Cowes auf der Isle of Wight über. Gut angekommen wird der erste Pub getestet – und für gut befunden.
Am nächsten Tag wird zunächst proviantiert, dann segeln wir bei besten Bedingungen von Cowes nach Portsmouth. Dort liegen wir in der Marina Haslar, direkt am strahlend grünen „The Lightship“. Nachmittags treffen wir Werners Neffe Thomas, der am nächsten Tag mit uns segeln wird. Abends verwöhnt Günter uns mit frischem Salat und Kartoffeln an Hähnchenbrust.
Am Sonntag nach dem Frühstück legen wir ab. Unsere Ziele sind Cowes, der Beaulieu River und Southampton … doch es kommt anders. Wir kreuzen und kreuzen – und kommen doch nicht voran! Die Strömung arbeitet auf Hochtouren gegen uns, wir kommen nur sehr mühsam von Portsmouth weg. Es hilft alles nichts, wir müssen den Motor anwerfen, um endlich vorwärts zu kommen. Notgedrungen lassen wir Cowes nicht nur sprichwörtlich links liegen und auch den Beaulieu River steuern wir nicht an. Dafür steuern wir Southampton zielstrebig an, um Thomas noch rechtzeitig abzusetzen.
Der Wetterbericht verspricht für Dienstag ein gutes Zeitfenster, um die Isle of Wight zu umrunden. Daher legen wir als Ziel für Montag den Hafen von Yarmouth fest, am nordwestlichen Ende der Isle of Wight gelegen. Doch zuerst fahren wir am Montagmorgen von Southampton aus noch Richtung Norden, um uns den Containerhafen anzusehen. Eine Weile betrachten wir den riesigen Containerfrachter, der gerade von fünf Kränen entladen wird.
Schließlich reißen wir uns von diesem gigantischen Anblick los und kehren um, um Kurs auf Yarmouth zu nehmen. Die See ist kabbelig, die Strömung stark. Das Ruder will gut festgehalten werden! Recht voraus geht die Sonne in wunderschönen, weichen Farben unter. Yarmouth erreichen wir nach Sonnenuntergang. Mit Proviant einkaufen und Essen in einem ansprechenden Pub klingt der Tag aus. Morgen wird ein langer Tag!
Wir starten um 8:00 Uhr und fahren zunächst unter Motor, der kräftigen Strömung entgegen nach Westen. Durch hohe Wellenberge und -täler arbeiten wir uns westwärts. Unsere Sea Fever tanzt und schaukelt in alle Richtungen.
Wir haben kaum die Untiefen und Engstellen und „The Needles“ passiert, als der Motor zu Pfeifen beginnt. Aus dem Motorraum kommt ein stinkender Geruch. „Sofort Motor aus und Segel setzen!“, gibt Günter das Kommando. Gesagt – getan. Erwin und Helmut verschwinden unter Deck, um die Ursache zu suchen. Diese ist auch schnell gefunden: Der Keilriemen ist durchgeschmort! Weniger schnell geht die Reparatur. Den Keilriemen zu tauschen ist bei raumem Wind und unruhiger See eine längere Angelegenheit.
Erst nach etwa einer Stunde tauchen beide wieder im Niedergang auf und atmen lange und tief die frische Luft ein. Kann es sein, dass sie ein bisschen grün um die Nase sind? Vorsichtig wird der Motor gestartet und getestet. Er läuft! Reparatur erfolgreich! Endlich können auch die beiden wieder den Anblick der Insel und deren weiße Kalkfelsen und Kreidehügel genießen. Bei halbem Wind und mehr als 8 kn wird die Ostseite der Insel umfahren. Um 17:00 Uhr laufen wir wieder in der Marina Haslar in Portsmouth ein und legen am bereits bekannten „The Lightship“ an. Nach diesem langen Segeltag sind die Duschen dort ein wahrer Traum, wir lassen uns vom heißen Wasser ordentlich verwöhnen. Und Günter verwöhnt uns kurze Zeit später ebenfalls, mit frisch gekochtem und äußerst leckerem Irish Stew.
Am Mittwoch legen wir einen Ruhetag ein. Da ein bisschen Kultur auch noch nie geschadet hat, machen wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück auf den Weg zum „Portsmouth Historic Dockyard“. Wir besichtigen die HMS Warrior und die HMS Victory, zwei dort vor Ort liegende Museumsschiffe.
Die HMS Warrior ist eine dampfgetriebene Panzerfregatte mit 40 Kanonen, die von 1859 bis 1861 für die Royal Navy gebaut wurde.
Die HMS Victory ist ein 104-Kanonen-Linienschiff erster Klasse der Royal Navy. Sie wurde 1758 in Auftrag gegeben, 1759 auf Kiel gelegt und 1765 vom Stapel gelassen. Mit 245 Dienstjahren (Stand 2023) ist sie das älteste noch im Dienst stehende Marineschiff der Welt.
Bekannt ist die Victory vor allem für ihre Rolle als Flaggschiff von Lord Nelson in der Schlacht von Trafalgar am 21. Oktober 1805.
Was ist besser bei dem gemeldeten Wind und der Strömung: Noch am Mittwochabend oder am Donnerstag bei Tag zurück in den Heimathafen nach Hamble zu segeln? Beides verspricht ein unruhiges Segeln zu werden.
Wir entscheiden uns für Donnerstag. Früh legen wir ab und nehmen Kurs auf die Isle of Wight, um kräftig Höhe zu gewinnen. Wie üblich Motor aus und Segel setzen. Gerade mal zehn oder 15 Minuten sind wir unter Segel unterwegs, als das Schothorn der Genua ausreißt. Günter versucht, es zu reparieren, leider ohne Erfolg. Es reißt sofort wieder aus.
Also Segel wieder bergen und Motor an. Mit Motorkraft fahren wir zurück nach Port Hamble. Auf dem Weg zur Heimatmarina übt Sandra das An- und Ablegen. Bei der vorherrschenden Strömung eine echte Herausforderung.
In der Marina am Liegeplatz angekommen, verbringen wir den Nachmittag entspannt mit Sonne genießen, Kaffee trinken, Duschen, Spielen und Lesen. Gut gelaunt ziehen wir abends nochmals um die Häuser und testen die angebotenen Biersorten.
Am Freitag gibt es ein letztes Mal Frühstück auf dem Schiff, Resteverwertung Teil 1 ist angesagt. Danach heißt es spülen, aufräumen, packen.
Die Schiffsübergabe findet zeitig statt, die Mängelliste ist lange: Ausgerissene Genua, gerissener und getauschter Keilriemen, Wasser in der Bilge, Wasser tropft von der Decke, abgerissener Rettungsring, undichte Gasanlage, … Das Team von Fairview Sailing nimmt alles gelassen auf. Anschließend fahren wir mit dem Zug zurück zum Flughafen. Auf dem Weg dorthin greift Restverwertung Teil 2. Mit dem Flieger landen wir schließlich sicher und pünktlich in München. Und wir alle sind uns einig: Gerne wieder bei einem künftigen Törn! Gerne wieder mit stormy sixties und roaring forty …